Das Backhäusle

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Lore Renz verdanken wir die charmante Beschreibung des Rieter Backhäusles aus dem Jahr 1985:

Das Backhaus in Riet

Eigentlich könnte man über unser Backhäusle einen ganzen Roman schreiben.

Unser Backhäusle liegt am Dorfrand von Riets altem Dorfkern und ist wohl das romantischste weit und breit. Es ist dicht bewachsen mit altem Efeu, bis zum Kamin, über das sich die einen freuen und die anderen schimpfen, es würde das Backhaus kaputt machen.

In unserem Backhaus haben schon viele Generationen gebacken, im gleichen Rhythmus wie heute noch. Auch meine Mutter und Großmutter erzählten, wie sie in hölzernen Backmulden ihr Brot machten, die dann mit einer eisernen Teigscherra sauber gemacht wurden. Auf einem großen Brett trugen früher die Frauen je nach Größe der Bretter bis zu 6 Brotlaib, unter dem Arm auch noch welche, unter das Brett auf dem Kopf kam das Bäuschtle, ein 4-5 cm breiter Stoffring, der mit Spreuer gefüllt war (nicht mit Spreu). Der Spreuer wurde von der Mühle geholt und stammte vom Emkorn, das früher statt Weizen angepflanzt wurde. Die Frauen mussten schon gerade gehen, sonst rutschte schnell ein Brotlaib oder Kuchen ab.

 

Im ersten Weltkrieg durfte nur Schwarzbrot gebacken werden, nicht mal an Hochzeiten und Konfirmationen durfte Kuchen gebacken werden, sonst würden sie hart bestraft, aber heimlich des nachts wurde mancher Hefenkranz, Gugelhopf und Weißbrot gebacken, wie meine Großmutter erzählte.

Früher, auch noch in meiner Kinderzeit, gab’s nur an Festtagen guten Kuchen oder an Sichelhenket, wenn die Bauern ihren letzten Erntewagen eingebracht hatten. Und dann besonders an der Kirbe wurde eine ganze »Wagenladung« gebacken; je nach Größe der Familie oder der Gäste oder des Geldbeutels wurden bis zu 20 Kuchen gebacken. Auch an Weihnachten wurde das Weihnachtsgebäck, die »Brötla«, auf großen viereckigen Blechen gebacken. Für uns Kinder war das immer ein Fest: Wenn ein paar Frauen grad gebacken hatten, durften wir Kinder immer versuchen, besonders von den missratenen oder etwas verbrannten.

 

Der Backofen wird heute noch wie früher mit Scheiter, altem Holz, das man sonst nirgend verbrennen konnte, und Reisig angeheizt. Früher brannte man das Reisig mit einer Handvoll Stroh an, dem »Strohwispel«, heute mit Papier. Als noch kein elektrisches Licht drin war, musste man immer eine »Ölfunzel« dabei haben, im kleinen Türle neben der großen Tür wurde Leuchtfeuer auf Reisig und »Spächtele« gemacht, damit man im Ofen sah, wie Brot und Kuchen wurde; da brauchte man viel Luft, um das Feuerle immer wieder zu entfachen.

Jede Backfrau musste bzw. muß den Ofen selber anheizen und hatte oder hat meistens ihr eigenes Backgeschirr, das aus der Kruke, um die übrige Glut rauszuziehen, dem Besen (aus Wegwarten), um vollends sauber zu machen, und dem Laibschießer, mit dem Brot und Kuchen eingeschossen wurde, besteht. Im Backhaus ist noch eine Eisenstange, mit der wird die Glut umgeschlagen (verteilt), dass ungefähr eine gleichmäßige Wärme entsteht, eine Wanne mit Wasser, in die der Besen immer wieder eingetaucht wird, um sauber zu machen, oder wird mit dem nassen Besen im Ofen herumgefahren, wenn er zu heiß ist.

Hat er zuviel Nachdruck kann schon mal sein, dass es schwarzes Brot gibt. Wenn vorher schon etliche mal gebacken wurde, sitzt die Wärme in den Ofensteinen und gibt Wärme ab.

 

In Kriegszeiten – 1. und 2. Weltkrieg – wurde außer Weizenmehl (auch) Roggen- und Gerstenmehl verwendet und mit Hefe und »Hefel« Sauerteig angemacht und gekochte geriebene Kartoffel.

Zu meiner Kinderzeit gab’s am Backtag zum Mittagessen mal Zwiebelkuchen, mal Kartoffelkuchen, mal süß oder gesalzen, Ölmattes (Rahm, Eier, Öl), Kümmel- und Salzkuchen oder Zucker- und Zimtkuchen, nicht vergessen den Grünskuchen aus Weinbergzwiebele oder Röhrle; Schneiderplätz – das war Schwarzbrotteig mit Salz -, das aß man, wenn das Brot ausging, am Backtag, oder nur mit Äpfelschnitz drauf.

 

Heute, die jungen Frauen, die das Backen wieder angefangen haben, haben wieder andere Zutaten. Zum Weizenmehl nehmen sie Roggen- und Vollkornmehl, Leinsamen, Edelkleie, Weizenkeime, Haferflocken, Kümmel und noch mehr solche »neuen« Produkte. Ins Backhaus gebracht wird im geflochtenen Strohkörble, gepressten Pappkörble oder Blechkapseln, Kuchenblechen oder ganz gewöhnlichen Plastikschüsseln.

Gebacken wird im Backhaus zu jedem Fest, früher noch mehr wie jetzt. Diejenigen, die ein Fest hatten, oder zur Zeit die Besenwirte durften ihren Backrang rauslesen, die anderen mussten warten, was sie beim Verlosen bekamen; so war es früher schon und heute noch.

Das ging so: Sonntag morgens um 8:00 (Uhr) und Mittwoch mittags um 19:00 (Uhr) wird verlost, sonntags von Montag bis Mittwoch und mittwochs von Donnerstag bis Samstag. Es wurden 5 Ränge verlost am Tag; der erste war von 7:00 bis 10:00 (Uhr), immer drei Stunden, und wehe es wurde mal überzogen und es kam ein energisches »Backhausweible«, da gab’s oft Krach und böse Worte. Beim Verlosen wirft die »Backhausfrau« jeweils fünf zusammengefaltete Zettel auf den Tisch, auf denen je 1-5 stand, immer für einen Tag. Da gab’s oft Gerangel und wütende Worte, wenn eine die andere wegschupste und es mehr Frauen wie Zettel gab. Andere tauschten oder einigten sich. Wenn alles klar war, wurden sie von der Backhausfrau auf einer Schiefertafel aufgeschrieben. An der Kirbe und an Weihnachten wurden die Ränge aus dem Körbchen gezogen; an der Kirbe wurde am Alphabet vorne angefangen und an Weihnachten durften die Frauen, die die Namen im Alphabet hinten rein hatten, zuerst ins Körbchen greifen.

 

Im Backhaus wird alles gebacken, was man backen kann, von Brot, Kuchen, Weihnachtsgebäck bis Gans und Spanferkel und Rauchfleisch im Teig.

Im Herbst wird gedörrt: Äpfel, Birnen und Zwetschgen.

Noch die Backzeit: Wenn morgens um sieben angeheizt wird, wird um acht das Brot eingeschossen. Es gehen so etwa 18-20 Laib in einen Ofen, je nach Größe. Das Brot bleibt so 1 1/4 – 1 1/2 Stunden drin, nach mehrmaligem reinschauen, dass nicht schwarz wird oder dass es bäkt Der Ofen hat eine Temperatur von ungefähr 300-350 Grad, das hat vor ein paar Jahren ein Bäcker bei uns gemessen. Hat es (das Brot) eine schöne Farbe, wird es mit Wasser bestrichen, dass es einen schönen Glanz gibt. Noch eine Weile reingeschoben und fertig ist das knusprige Brot.

Es kam schon vor, dass wenn mehrere Frauen beieinander waren, schon mal vor lauter schwatzen und Neuigkeiten austauschen das Brot oder der Kuchen oder die Brötla schwarz wurden. Unser Backhaus hat zwei Backöfen, einen Tisch und ein Bretterregal zum Abstellen und eine alte Schulbank.

Ich hoffe, Sie sind mit meinem Bericht zufrieden und wissen alles, was Sie wissen wollten.