1150 Jahre Riet

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Blick auf das Neubaugebiet

Aus der Festschrift zum 1150-jährigen Bestehen der Gemeinde Riet im Jahr 1962:

Riet liegt in der Südweststrecke des Kreises Vaihingen, 6 km südlich der Kreisstadt im tief eingeschnittenen Tal des Strudelbaches. Die Hänge steigen links und rechts bis auf 315 m an und sind auf der Südseite mit Reben bepflanzt. Auf der flacheren Winterseite liegen Wald und Felder, die sich auf den Hochflächen in Richtung der Nachbargemeinden Hochdorf und Nußdorf fortsetzen.

Die Markungsfläche der Gemeinde beträgt 303 ha, wovon etwa zwei Drittel rein landwirtschaftlich genutzt werden. Dem Weinbau kommt heute keine große Bedeutung mehr zu, es sind noch rund 5 Hektar bestockt.

Die in den Muschelkalkgebieten vorkommende Landschaftsform der Steppenheide tritt auf Rieter Markung an mehreren Stellen auf, so die Heide im Grund (Rieter Heide), der Mittelsberg, der Heulenberg und das Kallenberg-Ödland. Sie sind heute alle unter Natur- oder Landschaftsschutz gestellt. Auch geschützt ist die im Ortsmittelpunkt stehende 300 Jahre alte Linde.

Nur wenige Meter von ihr entfernt steht das Schloss der Grafen von Reischach, wohl schon mehr als 700 Jahre alt. Es bildet mit seinem schönen Park den Mittelpunkt des alten Ortsteiles. Die unweit des Schlosses stehende Dorfkirche überragt mit ihrem Turm nur wenig die hohen Bäume des Schlossparks.

Luftaufnahme vom August 2007
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Mitten durch den Ort fließt der in Flacht entspringende Strudelbach, der mit seinem munter dahin fließenden Wasser das Ortsbild belebt. Enten und Gänse, im Sommer auch Kinder, tummeln sich in ihm.

Am nördlichen Ende der Ortschaft treibt das Wasser des Strudelbachs die zweihundert Jahre alte Mühle.

Blick zur Mühle

Wenn wir die Mühlstraße heraufgehen, kommen wir an den Dorfplatz mit Rathaus, Pfarrhaus und der alten Dorflinde. 1955 wurde gleichfalls an diesem Platz die neue Milchsammelstelle gebaut. Um den Ortsplatz gruppiert sich der alte Ortskern, der sich über viele Jahre hinweg wenig verändert hat. Er vermittelt auch heute noch dem Besucher ein Bild dörflicher Beschaulichkeit.

Die Dorflinde
 

In dem bisher beschriebenen Riet wohnten bis Ende des zweiten Weltkriegs nur etwa 250 Einwohner. Sie lebten zum größten Teil von den Erträgen ihrer Landwirtschaft. Nur wenige Einwohner fanden Arbeit im Rieter Kalkwerk, im nahegelegenen Sägewerk Rietertal oder in Enzweihingen und Vaihingen.

Das Reischach-Kalkwerk in Riet

Die Folgen des verlorenen Krieges 1939 bis 1945 wurden auch in Riet spürbar. Etwa 100 Heimatvertriebene mussten untergebracht werden. Sie stammten zum größten Teil aus dem Sudetenland, insbesondere aus dem Kreis Znaim und aus den deutschen Ostgebieten. Die Neubürger fügten sich schnell in das dörfliche Leben ein, da sie in ihrer früheren Heimat auch in ländlichen Gemeinden gewohnt hatten. Die Wohnverhältnisse waren nun aus verständlichen Gründen sehr beengt.

Nach der Währungsreform im Jahre 1948 trat eine Änderung ein. Die neuen Dorfbewohner gingen daran, ihre Wohnungsprobleme zu lösen. Zunächst wurde nur vereinzelt gebaut, später jedoch entstanden Eigenheime in immer größerer Zahl. Die Gemeinde hat durch den Ankauf vin Baugelände im Gewann Doktorsgarten nach besten Kräften zur Lösung der Wohnungsfrage beigetragen. Im Laufe der Jahre entstand hier ein völlig neuer Ortsteil. Ebenso erweiterte sich die Ortschaftan der Hemminger Straße und im Gewann Steinbößle. Dadurch haben sich die Wohnverhältnisse zum größten Teil normalisiert. In welchen Größenordnungen sich die Bautätigkeit bewegte, ist aus der Tatsache ersichtlich, daß die Zahl der neuen Häuser die der alten übertrifft.

Neubaugebiet in den 50-er Jahren
 

Die Nähe Stuttgarts machte sich in zunehmendem Maße auch in unserer Gemeinde bemerkbar. Omnibuslinien erschlossen der erwerbsfähigen Einwohnern Arbeitsmöglichkeiten in der Industrie der nahen Landeshauptstadt. So waren es im Jahre 1955 bereits über 100 Pendler. Der Zustrom zum Wirtschaftsraum Stuttgart ließ auch die Einwohnerzahl Riets weiter anwachsen. Waren es im Jahre 1950 noch 370, so zählte man 1955 schon 450 Einwohner. 1962 sind es nahezu 600. Nach Prozenten gerechnet gehört Riet damit zu den Gemeinden des Kreises Vaihingen, die in ihrer Einwohnerzahl am stärksten zugenommen haben.

Für die Gemeinde entstanden dadurch neue Probleme. Mit jedem Jahr erhöhte sich die Zahl der schulpflichtigen Kinder. Bald musste man feststellen, daß das alte Schulhaus zu klein war. Es entsprach in keiner Weise mehr den Anforderungen des heutigen Schulwesens. Schon frühzeitig sicherte sich der Gemeinderat den für einen Schulhausneubau günstigsten Platz. Im Jahre 1959 schon durften die Schulkinder in ihr neues schönes Schulhaus einziehen. Was noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten wurde, war Wirklichkeit geworden. Die Gemeinde darf mit Recht stolz auf diese Leistung sein.

Das alte Schulhaus

Nach der Lösung der Schulhausfrage wurde der Gemeinderat vor neue Probleme gestellt. Es galt für die große Zahl von Pendlern in der Gemeinde selbst Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Durch Bereitstellung von Baugelände konnte die Firma Ernst Hauser, Werkzeug-Vorrichtungsbau und Stanzerei, ihren neuen Fabrikbau erstellen, ebenso begann eine kleine Metallschleiferei. 1961 erbaute die Firma Berthold & Schmidt KG an der Straße nach Eberdingen einen Papierverarbeitungsbetrieb. Jetzt erichtet das Omnibusunternehmen Flattich seine Wagenhallen ebenfalls an der Eberdinger Straße. Ein Unternehmen für Kunststeinherstellung beginnt in nächster Zeit mit dem Bau einer Werkhalle.

War Riet vor wenigen Jahren noch eine rein bäuerliche Gemeinde, so ist es nun auf dem Wege zur Arbeiterwohngemeinde und zum Industrieort. Es sind heute mehr als 100 Arbeitskräfte in den Rieter Betrieben beschäftigt.

 

Auch die Landwirtschaft blieb von der allgemeinen Entwicklung nicht unberührt. Von vierzig meist kleineren Betrieben sind heute noch etwa 15 übrig geblieben, die durchschnittlich 10 Hektar bewirtschaften. Die Betriebsinhaber haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um durch den Einsatz von Maschinen den Erfordernissen der Zeit gerecht zu werden.

Durch die Anschaffung einer neuzeitlichen Keltereinrichtung und eines Schlachtraumes sowie durch den Bau von Feldwegen erhielt die Landwirtschaft durch die Gemeindeverwaltung ihre Unterstützung.

Waren die neuen Ortsteile schon seit einigen Jahren kanalisiert, so begann die Gemeinde in der zweiten Jahreshälfte 1961 das Gesamtproblem der Abwasserbeseitigung einer Lösung zuzuführen. Mit einem hohen Kostenaufwand wurde der Hauptsammler, beginnend 300 Meter unterhalb der Mühle, bis um Bergcafe hinauf gebaut.

Als Folge der Kanalisationsarbeiten sollten nun einige Straßen mit einer neuen Decke versehen werden. Der größte Teil der Haushaltsmittel der nächsten Zeit muß hierfür bereitgestellt werden, so daß andere wichtige Aufgaben in den Hintergrund treten.

Aber auch in Zukunft wird die Entwicklung der Gemeinde Riet nicht stillstehen. Neues Baugelände wurde erworben und wartet auf seine Erschließung. Schon immer ist in der Gemeinde das Fehlen eines Kindergartens als Mangel empfunden worden, besonders jetzt, da viele Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Gemeinde ist auch hier nicht untätig geblieben, der Platz für den Kindergartenneubau in der Nähe der Schule wurde schon erworben.

Auch an den Bau eines neuen Rathauses muß gedacht werden, das alte wird den Erfordernissen der heutigen Zeit nicht mehr gerecht. Es dürfte ein Alter von mehr als 200 Jahren haben. Zudem ist auch seine Lage für den stetig zunehmenden Verkehr zu einer Gefahrenquelle geworden.

Das alte Rathaus

Die Gemeindeverwaltung betrachtet es ferner als Ehrenpflicht, den Opfern der beiden Weltkriege eine würdige Gedenkstätte zu schaffen. Da dies nicht nur ein Anliegen der Gemeindeverwaltung, sondern der ganzen Bürgerschaft ist, wird erwartet, daß ein Teil der Kosten durch Spenden der Einwohner aufgebracht wird. In diesem Zusammenhang darf an die vorbildliche Haltung der Rieter Bevölkerung bei der Spendenaktion für den Schulhausneubau erinnert werden.

 

Die folgende Ergänzung des Berichtes aus der Festschrift stammt aus einer uns unbekannten Quelle:

Bei einem Rundgang durch Riet können wir feststellen, dass sich der Ort zu einem blühenden Gemeinwesen entwickelt hat. Im Jahr 1966 wurde der Friedhof erweitert und eine Aussegnungshalle gebaut. Nur wenige Meter vom Schloss entfernt liegt der neu gestaltete Dorfplatz mit dem 1968/69 erbauten Rathaus, dem Gemeindehaus, der Gaststätte »Eintracht« und einem Getränkehändler.

Der Dorfplatz im Jahr 1999

Mit dem Abbruch des alten Rathauses sowie mehrerer Häuser und Scheunen und der alten Gastwirtschaft »Zur Eintracht« wurde die Sanierung des alten Ortskerns eingeleitet. 1971 wurde gemeinsam mit Enzweihingen mit dem Bau der Kläranlage im Enztal begonnen, nachdem die Kanalisation des Ortes weitgehend abgeschlossen war.

Mit dem Bebauungsplan zwischen Uhland- (Heide-) und Furtbergstraße 1966 wurden die Bebauungsmöglichkeiten fortgesetzt. Es folgte 1968 die »nordöstliche Ortsabrundung«, 1985 das Baugebiet »In der Seite«, im Jahre 1993 das Baugebiet »Abrundung Raiffeisenstraße«.
1994 wurde ein Bebauungsplanverfahren am Südostrand eingeleitet, das »Beidseits der Raiffeisenstraße« genannt wurde. Alle diese Erweiterungen der Bebauungsmöglichkeiten sollten dem Eigenbedarf der Rieter Einwohner dienen.

Das in Riet ansässige Omnibusunternehmen Flattich erschloss mit seinem Linienverkehr den Einwohnern Arbeitsmöglichkeiten in der nahe gelegenen Landeshauptstadt. Der Ausbau des Nahverkehrs wurde immer mehr verbessert. Heute sind die Buslinien im Stadtgebiet Vaihingen mit Zentrum »Neuer Bahnhof« an die Schnellbahnverbindung Stuttgart-Mannheim und nach Stuttgart eingebunden.

 

Seit dem 1. Februar 1972 ist die Gemeinde Riet ein Stadtteil der Großen Kreisstadt Vaihingen an der Enz. Mit dem Eingliederungsvertrag vom 30.1.1972 wurde die Ortschaftsverfassung in Riet eingeführt. Die Stadt Vaihingen an der Enz hat den Stadtteil entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen weiter gefördert, wie es aus den genannten Baulanderschließungen auch hervorgeht. So konnte im Jahr 1975 der neu erbaute Kindergarten eingeweiht werden. Die restliche Kanalisation wurde gebaut einschließlich eines Regenüberlaufbeckens. Die Kläranlage »Strudelbach« wurde fertig gestellt und an die Kanalisation angeschlossen. Die von der Gemeinde Riet begonnene Baulanderschließung »Steinbößle« wurde von der Stadt zu Ende geführt und dabei die Untere und die Obere Furtbergstraße miteinander verbunden. Ein neuer Anschluss des Talweges an die Lugwigsburger Straße wurde gebaut. Die Ludwigsburger Straße als Hauptdurchgangsstraße einschließlich des Dorfplatzes wurde neu gestaltet. Die Gehwege samt Beleuchtungen wurden weiter verbessert. Es folgte der Ausbau der Raiffeisenstraße. 1983 wurde die von der Stadt erbaute Mehrzweckhalle mit der vom Sportverein erbauten Vereinsgaststätte eingeweiht, einschließlich der den sportlichen Aktivitäten dienenden Nebenanlagen.

Die Wasserversorgung wurde von der Stadt laufend verbessert. Im Jahre 1988 wurde ein zweiter Hochbehälter »Im Grund« gebaut, der einerseits die Versorgung der Hochzone mit entsprechendem Wasserdruck und andererseits den Anschluss an die Bodenseewasserversorgung zur Verbesserung der Wasserqualität hinsichtlich der Härte und des Nitratgehaltes brachte.

Mit den Heimatvertriebenen kamen in den Nachkriegsjahren in den bis dahin fast rein evangelischen Ort nun auch zahlreiche katholische Mitbürger. Mit der Errichtung des Gemeindezentrums St. Markus im oberen Teil der Furtbergstraße erhielten sie im Jahre 1975 eine eigene Begegnungsstätte. Die evangelische Kirchengemeinde wurde von 1913 bis 1986 vom Pfarramt Eberdingen mitbetreut. Seit 1986 ist die evangelische Pfarrstelle wieder besetzt. 1994 wurde das seitherige Pfarrhaus zum Gemeindehaus umgebaut und in der Heidestraße ein neues Pfarrhaus gebaut.

Das alte Pfarrhaus, heute Gemeindehaus

Mit der Fertigstellung eines weiteren Kinderspielplatzes oberhalb der Schule im Jahre 1996 haben auch die Jüngsten unserer Gemeinde eine Möglichkeit zum Spielen und zu sportlicher Betätigung.

 

Am kulturellen Leben des Stadtteiles beteiligen sich außer den Kirchen verschiedene Vereine.