Aus der Geschichte
Die Geschichte unserer engeren Heimat geht bis in vorchristliche Zeitrechnung zurück. Man schreibt die vereinzelten Grabhügel im Rieter Hölzle auf Rieter Markung und im Pfaffenwald bei Hochdorf, der frühen Eisenzeit zu (750 bis 400 v. Chr.).
Durch die Grabbeigaben aus Eisen und Bronze konnte man sich ein ungefähres Bild von den Lebensumständen der Menschen dieser Zeit machen. Spuren römischer Besiedlung fanden sich im Gewann Wintergeislingen, 1 km nordwestlich des Dorfes: Ausgedehnte Gebäudereste, Dachziegel, Gegenstände aus Bronze und ein ausgemauerter Brunnen, die Reste eines ehemaligen römischen Gutshofes.
Vielleicht lebte hier ein ehemaliger römischer Legionär mit seiner Familie, dem die Nähe der befestigten römischen Heerstraße Cannstatt-Enzweihingen-Stettfeld und weiter nach Mainz ein Grund zur Ansiedlung auf diesem Platz war. Das Gebiet um Vaihingen zählte damals (90-260 n. Chr.) zur römischen Provinz Obergermanien mit der Hauptstadt Mainz und bildete einen Teil des Bezirks Baden-Baden.
Der Ortsname
Die Römer waren etwa 170 Jahre im Gebiet zwischen Rhein und mittlerem Neckar, dem Zehntland. Aber als die Alemannen ums Jahr 260 n. Chr. zum zweiten Male und nun endgültig den Limes durchbrochen hatten, mussten sie hinter den Rhein zurück. Die neuen Bewohner siedelten sich nach Geschlechtern und Sippen an, der Name des Sippenältesten mit der Nachsilbe »-ingen« zusammengesetzt ergab den Namen des neuen Wohnplatzes. (Faho = später Vaihingen).
Als am Ende des 5. Jahrhunderts die Franken einen Teil Alemanniens unterwarfen, gehörte unsere Gegend zum Bezirk Deutschfranken, der wieder in Gaue unterteilt war. Im Gegensatz zu den Alemannen bildeten die Franken ihre Ortsnamen dadurch, dass sie an den Namen des Sippenältesten die Nachsilbe »-heim« fügten. Es kann also mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass Riet weder eine ursprünglich alemannische noch fränkische Gründung ist. Mit dem fränkischen Gaugrafen Walaho aber, der dem Enzgau im Jahr 902 vorstand, kann unser Heimatort in Beziehung gesetzt werden, denn Riet findet seine erste urkundliche Erwähnung im »Codex Laureshamensis« als »Villa Reoth« im Enzgau. Hier schenkte eine Adelheid am 1. November des Jahres 812 dem Kloster Lorsch an der Bergstraße, das einigen Besitz in unserer Gegend hatte, einen Hof, zwei Tagwerke und ein Obstgut.
Über die Entstehung des Ortsnamens Riet gehen die Meinungen auseinander. In einer alten Oberamtsbeschreibung wird Riet als ehemaliges Ried, d. h. als sumpfiges Gelände bezeichnet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Riet ebenso wie Ruit, Reuth, Reutte von »reuten« abzuleiten ist. Dies würde bedeuten, dass die ersten Bewohner von Riet durch die Rodung eines Waldstückes sich die Voraussetzung zur Ansiedlung schufen.
Die Adelssitze
Über die Geschichte des Dorfes im Mittelalter fließen die Quellen nur sehr spärlich. Einiges mehr aber weiß man über die Adelssitze, die es in dieser Zeit im kleinen Dorf Riet gab. Zur Zeit der Kreuzzüge, als das Rittertum sich zur vollen Blüte entfaltete, hatte das kleine Dorf Riet außer dem noch stehenden Schloß der Grafen von Reischach drei weitere adelige Behausungen aufzuweisen. Eine derselben befand sich an Stelle des jetzigen Pfarrhauses. Als ihre frühesten Besitzer erscheinen die Bombaste von Hohenheim. Es war bekannt, daß dieses Rittergeschlecht Güter in Aurich besaß, wo 1270 Conrad von Hohenheim das Patronatsrecht der Kirche an das Gotteshaus zu Speier gab und 1341 die Nonne Sophia von Hohenheim zu einer Frühmesse in die dortige Kirche Gülten aus ihrem Besitz in Aurich und Vaihingen stiftete. Auch der Standort des dritten Adelssitzes konnte festgestellt werden: Beim Bau des Nussdorfer Wasserwerks stieß man auf Grundmauern, die von den Wirtschaftsgebäuden eines einst unweit davon sich erhebenden Schlosses stammen. Von dem dritten der verschwundenen Schlösser weiß man nur, dass es auch in der Gegend des »Prestenecks« stand.
Das »Schlösslein von Riet«
Das »Schlösslein von Riet« an der Stelle des heutigen Pfarrhauses gehörte bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts der Familie von Hohenheim. Ein in die Sakristei der Rieter Kirche eingemauerter Grabstein ist Zeuge dafür, dass die Vorfahren des berühmten Arztes und Naturforschers Theophrastus Bombastus Paracelsus von Hohenheim (1493 - 1541) in Riet lebten. Er zeigt das Wappen derer von Hohenheim und eine noch gut erhaltene Inschrift: »... starb Hans und Trutwin von Hohenheim, dessen Seele ruhe in heiligem Frieden all hernach«.
Nachforschungen ergaben, dass der Grabstein von der Witwe des Hans ihrem verstorbenen Ehemann, der vor 1456 starb, und dem Trutwin, der seinem Vater bald nachgefolgt sein muss, gewidmet worden war. Hans von Hohenheim war der Urgroßvater des Paracelsus: Dessen Vater, Wilhelm von Hohenheim von Riet, der 1481 in Tübingen studierte und später Arzt in Einsiedeln war, ist der aussereheliche Sohn des Wilhelm von Hohenheim, dessen Vater der Hans und dessen Bruder der Trutwin waren. Der junge Theophrastus Bombastus soll einige Jugendjahre bei seinem Onkel in Riet verbracht haben. Das ist durchaus möglich, denn erst 1556 verkauft ein Franz von Hohenheim sein Gut. Einige Jahrzehnte später besaß es ein Spross des einst hoch berühmten Rittergeschlechts von Sachsenheim, doch nur für kurze Zeit. Eberhard von Sachsenheim musste es, völlig verarmt, an eine Linie der Reischach’schen Familie verkaufen. Dabei tauschte er den nun schon halbverfallenen Adelssitz im Presteneck ein und ließ Frau und Kinder im Elend sitzen. Er selbst ist schließlich im Dreißigjährigen Krieg verschollen.
Nahezu hundert Jahre war nun das »Schlösslein« im Besitz der Familie Reischach.
Dann wechselten die Besitzer in rascher Folge:
Tessin, Leutrum, herzoglicher Kirchenrat, wieder die Familie Reischach, zusammen
mit Müller Fakler (dem Erbauer der Mühle), Baron Grempp von Freudenstein. Dann erwarb
es der herzogliche Kirchenrat erneut (1787) und bestimmte es zur Pfarrwohnung. Hundert
Jahre später wurden die baufälligen Gebäude abgerissen und auf demselben Platz das
heutige Pfarrhaus erbaut. Vom alten Gebäude blieben nur die Kellergewölbe erhalten.
Das zweite Schloss
Über das einstige recht stattliche Schloss, das sich im Gebiet des heutigen neuen Ortsteils von Riet erhob, gibt ein Plan aus dem Jahre 1717, der sich im Reischach’schen Archiv befindet, einigen Aufschluss: Es hatte einen rechteckigen Grundriss von 28 m Länge und 24 m Breite und war mit vier runden Ecktürmen bewehrt. Ross-, Viehställe und Scheunen, im Vorhof eine dreistöckige Meiereibehausung, ein Brunnen, Back- und Waschhaus samt Badstüblein gehörten zur ziemlich weitläufigen Anlage, die von einem Graben umgeben war, in dem Karpfen schwammen. Zum Gut gehörten etwa 100 Morgen Acker, 10 Morgen Wiesen, 5 Morgen Weinberge und 20 Morgen Wald.
Auch dieses Schloss soll in frühester Zeit den Rittern von Hohenheim gehört haben. Urkundlich nachgewiesen ging es dann durch die Hände mehrerer Besitzer: Hans Friedrich von Roth, David von Heimstett (Obervogt von Vaihingen), 1607 Johann Entzim, Landschaftseinnehmer in Stuttgart, bis es dann 1627 der Arzt Dr. Oßwald für den halben »Anschlagspreis« erwarb. Allerdings dürften die wirren Zeitläufe des Dreißigjährigen Krieges nicht ohne Einfluss auf die Höhe des Kaufpreises geblieben sein.
1661 kaufte Herzog Eberhard das herabgewirtschaftete Schloss unter Bezahlung der darauf noch lastenden Schulden und bot es zusammen mit dem damals württembergischen Schloss (das noch heute bestehende) Dr. Oßwald als Lehen auf Lebenszeit an. Der Herzog hatte dessen Dienste als Arzt und in anderen Geschäften wohl zu schätzen gewusst und wollte den inzwischen nach Innsbruck gegangenen Leibmedikus wieder an sich ziehen. Oßwald aber ging auf dieses Angebot nicht ein.
Damit war das Los des Schlosses besiegelt, der Zerfall muss rasch fortgeschritten sein. Im Plan von 1717 erscheint es schon als Ruine, das Schlossinnere mit Obstbäumen bepflanzt. 1709 erhielten die Herren von Reischach das Gut als Lehen. Die Flurnamen »Doktorsgarten« und »Doktorswald« erinnern noch heute an die Ära Dr. Oßwald im alten Riet.
Das erhaltene Schloss
Nun zum einzigen bis in die Gegenwart erhalten gebliebenen Schloss der Grafen von Reischach:
Wenn es auch im Laufe der Jahrhunderte manche baulichen Änderungen erfuhr, so kann sich der Beschauer auch heute noch von ihm in vergangene Zeiten zurückversetzen lassen. In seinen Anfängen bot es ein ganz anderes Bild: Rings um das Schloss zog sich ein tiefer, gemauerter Graben, der sich in wenigen Stunden mit Wasser füllen ließ. Über eine Zugbrücke gelangte man in den ummauerten Vorhof mit einer großen steinernen Scheune, Ställen und dem zweistöckigen Torhaus, das neben der Wohnung des Torwächters noch die Pfisterei (Bäckerei) und eine Badestube enthielt. Auch die über der Gasse stehende Meierbehausung bot ein stattliches Bild. An den Berg gelehnt erhob sich das geräumige Bandhaus mit Keller, in dem die Vorräte an Frucht und Wein gelagert waren, am Bach stand ein Fischhaus. Wenn man noch die beiden großen, ummauerten Gärten dazuzählt, so war die ganze Anlage ein recht ansehnlicher Adelssitz.
Der steinerne Unterstock mit den vier Ecktürmen reicht mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurück. Er umschloss einen kleinen Innenhof und enthielt u. a. Ställe, Sattelkammer, Reiterstube, Vorratskammern und den Gefängnisturm. (Die Schlossherren waren befugt, die niedere Gerichtsbarkeit innerhalb der Schlossmauern auszuüben. Die hohe Gerichtsbarkeit blieb beim Haus Württemberg.) Die zwei Stockwerke aus Fachwerk sind erst später entstanden, als die Ansprüche an das Wohnen gestiegen waren und das Schloss als Wehrburg bedeutungslos geworden war. Es ist anzunehmen, dass das Schloss, wie andere Wasserschlösser, ursprünglich ein massiver, niedriger Steinbau war.
In der Reihe der Schlossherren erscheint im Jahre 1453 zum ersten Mal ein Mitglied der Adelsfamilie Reischach, die ihre Heimat in Oberschwaben hat. Die Witwe des Martin Truchseß von Höfingen brachte das Schloss als Heiratsgut ihrem zweiten Mann zu, dem Ritter Hans von Reischach. Bald darauf erwarb sich dieser auch einigen Besitz in Nussdorf (1468) und in Eberdingen (1469). Als 1593 Hans Michael von Reischach starb, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen, gelangte das Schloss nach mehrfachem Besitzerwechsel 1620 in württembergischen Besitz.
Herzog Johann Ludwig gab es sofort seinem Landhofmeister Eberhard zu Limpurg. Dessen Sohn aber musste es, wohl als Folge des Dreißigjährigen Krieges, so sehr mit Schulden belasten, dass er auf das Lehen verzichtete. Dann belehnt Herzog Eberhard III. den Dr. Oßwald mit dem Gut, der ja damals noch weiteren Besitz in Riet hatte. Der Herzog bestimmt dann in seinem Testament, das wieder heimgefallene Lehen für seinen Sohn Johann Friedrich. Aber nicht lange darnach fällt dieser 1693 in einem Duell mit einem kaiserlichen Obersten, dem er aus Empörung gegen die Ausschreitungen der österreichischen Truppen einen Husaren niedergehauen hatte.
1709, nach mehr als hundert Jahren, kam das Schloss, aber jetzt als Lehen, wieder an das Geschlecht zurück, das es früher schon in seinem Besitz hatte. Herzog Eberhard Ludwig, der Gründer Ludwigsburgs, muss aber seinem verdienten Geheimrat Georg Wilhelm von Reischach zur Bestreitung der Kosten für die Herrichtung der heruntergekommenen Anlage den großen Frucht- und Weinzehnten in Heimerdingen dazugeben. Von nun an blieb das Lehen in der Familie Reischach, die später für ihre Verdienste um Haus und Land Württemberg in den Grafenstand erhoben wurde. Bei der Lehensablösung im Jahre 1875 gingen Schloss und Gut in das Eigentum der Familie über. Heute (2007) ist es im Besitz von Dietrich Graf von Reischach.
Die Kirche
Kirchlich gehörte Riet in seinen Anfängen zu Enzweihingen. Die Kirche zu Riet diente zuerst den adeligen Familien als Kapelle. Da sie St. Stephan geweiht war, dürfte ihre Entstehung bis in die fränkische Zeit zurückgehen. Später übte der Deutschritterorden das Patronatsrecht aus, er gab 1487 die Erlaubnis zur Trennung von der Mutterkirche Enzweihingen. Als 1535 Herzog Ulrich wieder ins Land zurückkehrte und die Reformation durchführen ließ, wurde die Gemeinde zusammen mit ihrem Pfarrer evangelisch. 1555 erwarb Herzog Christoph das Patronatsrecht vom Deutschorden, seit dieser Zeit zählt nun die Pfarrei Riet zur Württembergischen Landeskirche
Der untere Teil des Kirchturms war ursprünglich romanisch erbaut worden, später
wurde die Kirche im gotischen Stil umgebaut und 1772 stillos erweitert. Der die
Stelle des Chores vertretende untere Teil des Kirchturms ist sehr alt und massiv
gebaut, der obere Teil wurde erst später in Fachwerkbauweise aufgesetzt. Ein steinernes
Grabdenkmal im Kirchenschiff stellt eine Frau in mittelalterlicher Tracht dar, die
ihrem Kind die Hand auf den Kopf legt. Das Denkmal trägt das Wappen der Reischach:
Die Unterschrift lautet
Ano - dni 1562 auf den 27. Febr. starb die edel und dugatsam Frau
Maria von Reischach geborene Grempen von Freudenstein - der sel Got Gnad - Amen
.
Die Kriege
Da Riet in unmittelbarer Nähe der uralten Heerstraße Stuttgart-Vaihingen-Bretten lag, hatte es oft unter den Kriegswirren zu leiden. Während des Krieges des schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich lagerte im Jahre 1519 der Landsknechtsführer Georg von Frundsberg mit seinen Söldnerscharen bei Enzweihingen.
Der 30-jährige Krieg
Im Dreißigjährigen Krieg hat die Gemeinde schwer gelitten. Schweden, Franzosen und Kaiserliche plünderten mehrfach das Dorf und schleppten die Kirchenglocken fort. Die fremden Kriegsvölker brachten der Bevölkerung neben der Geißel des Krieges auch die furchtbare Pest, der auch der Rieter Pfarrer Notter zum Opfer fiel. In Vaihingen, wohin viele Menschen der Umgebung geflüchtet waren, starben 1635 1800 Menschen. Oft war die Feldbestellung über Jahre hinweg fast unmöglich, weil umherstreifende Soldaten die Bauern jagten und niederschossen. Eine schreckliche Hungersnot war die Folge. Katzen, Hunde, Schnecken und Frösche galten als köstliche Leckerbissen und selbst in den Weinorten waren Essig und Wasser Labsal für Kranke und Sterbende.
Die Franzoseneinfälle und folgende Kriege
Auch vor den Franzoseneinfällen ab 1688 blieb das Dorf nicht verschont. 1689 legten die Franzosen in Nußdorf Feuer, wobei sie durch das Trommeln eines Nußdorfers wieder verjagt worden sein sollen. Im Jahre 1693 wurden Kirche und sechzehn Häuser in Enzweihingen, die Stadtkirche und 279 Häuser in Vaihingen niedergebrannt. Bei dieser »Gelegenheit« muss auch Riet geplündert und zum Teil zerstört worden sein, Kirchen-, Steuerbücher und Rathausniederschriften wurden ins Feuer geworfen. Die Bürgermeisterrechnung 1694/95 sagt in kurzen Worten darüber folgendes:
Nach dem in Anno 1693 durch den laidigen französischen Einfall und darauf gefolgter Totalplünderung hießigen Fleckens Stewerbücher auch zu Grund und Verloren gangen, Alls wurde auf Vogtamtliches anbefehlen im X. bri 1694 und Jan. 1695 durch die Verordnete Stewersätzern und der Stattschreiberei Vaihingen Substitutum, erforderten hohen nothdurft nach ein Renovation vorgenommen und wider alles genawmöglichst erkhundigt und denen newen Stewerbüechlen einverleibt.
Von diesen schlimmen Zeiten konnte sich das Dorf nicht so schnell wieder erholen. Es heißt in einer Urkunde der Waldensersammlung Mühlacker aus dem Jahre 1699 über das Amt Vaihingen von Riet:
13 Häuser und Hofstätten waren ohne Besitzer, 30 Morgen Acker wüst und leer, ebenso 20 Morgen Weinberge.
Die jährlichen Gemeindeeinnahmen betrugen damals nur 2500 fl. (Gulden), damit konnte der Flecken nicht allzuweit kommen. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn der reiche Geheime Rat und Oberratspräsident Georg Wilhelm von Reischach nicht nur bei Hofe, sondern auch bei der Gemeinde in hohem Ansehen stand, da er ihr in diesen Teuerungszeiten und Notjahren nicht unbeträchtliche Zuschüsse und Steuererlasse gewährte.
Im spanischen Erbfolgekrieg hatte die Gegend wieder Truppendurchzüge. 1707 befand sich das kaiserliche Kürassierregiment Mercy bei Enzweihingen.
1796 zog das österreichische Hauptheer unter Erzherzog Karl am 14. Juli durch die Gegend. In den späteren Feldzügen Frankreichs gegen Usterreich war Vaihingen Hauptetappe. Mit dem Ende der napoleonischen Kriege begann auch in Riet eine Zeit des »beschaulichen Dahinlebens in ländlicher Stille«. Das Revolutionsjahr 1848, der deutsch-französische Krieg 1870/71, sie werden wohl kaum das Dörfchen und seine Einwohner aus ihrer Ruhe geschreckt haben.
Der zweite Weltkrieg
Tief - und besonders in seinen Folgen wie kaum ein anderes geschichtliches Ereignis zuvor - wirkte der im Jahre 1939 von einer verantwortungslosen Führung vom Zaun gebrochene 2. Weltkrieg auch auf das Geschick unseres Dorfes und seiner Bewohner ein. Viele Väter und Söhne kehrten nicht mehr zurück, gefallen, vermisst oder in der Gefangenschaft elend umgekommen. Von Fliegerangriffen verschont geblieben, musste die Gemeinde in den letzten Kriegsmonaten Menschen aus den nahen Städten, besonders aus Stuttgart und Pforzheim, aufnehmen, denen der Bombenkrieg die Wohnung genommen hatte.
Dann hatten die Rieter im April 1945 selbst schwere Tage zu überstehen: Die von Westen heranrückende französische Armee blieb für einige Zeit in ihren Stellungen auf der Platte und belegte das hochgelegene Nußdorf mit starkem Artilleriebeschuss. Bis auf wenige Gebäude blieben nur rauchende Trümmer übrig. Auch in Riet fielen den Granaten Menschen zum Opfer, wurden Häuser beschädigt und zerstört. Den letzten deutschen Soldaten folgten die von Nußdorf herabsteigenden Sicherungen der Franzosen. Die ersten Tage mit den sich im Dorf einquartierenden französischen Truppen mussten überstanden werden. Anfang Juli 1945 übernahmen die Amerikaner Nordwürttemberg in ihre Besatzungszone. Mit der Aufnahme der etwa 100 Heimatvertriebenen aus dem deutschen Osten im Jahre 1946 begann ein neues Kapitel in der »Geschichte Riets«.
Die Einwohner
1849 hatte Riet 381 Einwohner, diese Zahl fiel bis zum Jahre 1875 auf 310, um dann wieder bis zum Jahre 1885 auf 367 anzusteigen. Dann ging die Einwohnerzahl stetig zurück, bis es im Jahre 1939 nur noch 246 waren.
Das um die Jahrhundertwende beginnende Industrie-Zeitalter ließ also auch Riet nicht unberührt. Wer konnte es den Jungen verdenken, wenn sie den oft recht beengten Verhältnissen in den kleinbäuerlichen Familien den Rücken kehrten? Andere Rieter versuchten ihr Glück in Amerika. Unter den Auswanderern, die vor und zum Teil nach dem ersten Weltkrieg über den Ozean fuhren, finden wir u. a. die Namen Walz, Haberkern, Ezel, Kachler und Besserer.
Ortschronik
Lassen wir nun zum Schluss die Ortschronik berichten, was die Dorfbewohner in den Jahren um und nach 1900 bewegte. Wir erfahren zwar keine weltbewegenden Ereignisse, jedoch sind sie ein Spiegelbild der Zeit:
- 1899
- Kaisermanöver, 2000 Mann Einquartierung, Kaiser und König in Hochdorf.
- 1900
- 15. Mai, Schnee.
- 1905
- Riet erhält Poststelle
- 1907
- Strudelbachbrücke aus Eisenbeton (50 Jahre später wird diese wieder durch eine neue Brücke ersetzt.)
- 1909
- Kirche wird umgebaut.
- 1911
- 30. Juli Hagelschlag, halbe Ernte vernichtet. 16. November Erdbeben.
- 1919
- Dezember: Hochwasser
- 1921
- Kallenberg aufgeforstet.
- 1924
- Neue Kirchenorgel. (Die aus Zinn bestehenden alten Orgelpfeifen wurden während des Weltkriegs abgeliefert).
- 1925
- Furtbergöde mit Forchen angepflanzt.
- 1927
- An der Kirche wird eine Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges angebracht.
- 1928
- Riet bekommt Postomnibusverbindung. (Vaihingen-Iptingen.)
- 1929
- Ein Feldbereinigungsprojekt gescheitert.
- 1932
- Am 16. Mai (Pfingstmontag) Wolkenbruch. Große Verwüstung. Schlechte Ernte.
- 1934
- Die Gemeinde beschafft eine Bodenwaage. Die Schule bekommt Radioanlage.
- 1936
- Am 29. März wird hundertprozentig für den Führer abgestimmt.
- 1937
- Hauswasserversorgung. (Das Rieter Trinkwasser entstammt einer Quelle am Ostrand des Strudelbachtalgrunds, 500 m nördlich von Eberdingen. Sie speiste bis zur Errichtung der Hauswasserversorgung mehrere Laufbrunnen im Ort.)